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Montag, 24. Februar 2014

What's App, People?!

Der Monat Februar brachte erneut die Debatte über ein Thema auf, dass anscheinend inzwischen zum Grundbedürfnis des modernen Menschen geworden ist: die Datensicherheit. Ausgelöst von der Übernahme von What'sApp durch Facebook und angeregt von Lobpreisungen revolutionärer, vermeintlich sicherer Messenger-Alternativen war die Medienumwelt erfüllt von mehr oder weniger informierten Diskussionen zum Datenschutz in einer Welt der globalen Vernetzung. 
Ein Kommentar.

Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Abend, der zwar schon viele Jahre zurückliegt, aber immer noch leichtes Herzklopfen bei mir auslöst, wenn ich jetzt daran denke. Ich war allein in meinem Zimmer, saß an meinem Schreibtisch und hatte ein großes Buch vor mir zu liegen. Ein großes, gelbes Buch: schwer, unhandlich und voller Zahlen. Daneben stand mein (Festnetz)Telefon - ich genoss als Jugendlicher den Luxus, einen eigenen Telefonanschluss im Zimmer zu haben.
Ich schlug also das Buch auf, wanderte zum richtigen Buchstaben und ratterte die Liste der Namen durch... Bis ich schließlich den passenden Eintrag fand. Es gab damals drei Menschen in Berlin mit dem Nachnamen, den ich suchte, aber nur eine Adresse zu der Telefonnummer war im richtigen Stadtteil. Jetzt hatte ich die richtige Nummer - nun musste ich nur noch den Mut finden, sie anzurufen.
Zur Erläuterung: Ich war damals heimlich, aber unsterblich in ein Mädchen aus meiner Parallelklasse verliebt. Wie in der besten High-School-Filmstory hatte sie mich zu diesem Zeitpunkt vermutlich noch nicht einmal wahrgenommen. Da ich aber nicht wie einer der Loser aus eben genannten Filmen enden wollte, hatte ich beschlossen, mir ein Herz zu fassen, ihre Nummer herauszusuchen - und einfach anzurufen.

Ich hatte noch nie zuvor mit der jungen Dame ein Wort gewechselt. Alles, was ich wusste, war ihr Name. Und, aus welcher Richtung sie in etwa zur Schule kam. Keine fünf Minuten nach dem heimlichen Stibitzen des elterlichen Telefonbuchs hatte ich jede Information, die ich brauchte: Ich wusste, wie ihre Eltern hießen, wo sie wohnte und (natürlich) wie ich sie erreichen konnte.

Was ist heute anders?
Wenn ich heute über jemanden etwas herausfinden will, eröffnen sich mir schier endlose Möglichkeiten. Was die Google-Suche nicht ausspuckt, finde ich bei Facebook, Twitter, Xing, Linkedln, Google+, Stayfriends, Skype, What'sApp, Spotify, Instagram, auf privaten Webseiten, in öffentlichen Blogs und auf Online-Kontaktanzeigen. Wenn ich mir entsprechend Zeit nehmen würde, könnte ich zu jedem meiner Facebook-Freunde ein komplettes Dossier anfertigen. Ich wüsste dann vermutlich den Musikgeschmack, favorisierte Urlaubsorte, Lieblingsbars, geschätzte Filme und Bücher, wie niedlich die Haustiere sind und was die Kinder gerade wieder angestellt haben. 
Die Adresse und Telefonummer zu finden wäre vermutlich sogar am Schwierigsten - aber sicherlich möglich.

Die Angst
Für manche Menschen klingt das eben beschriebene gruselig. Sie fühlen sich gläsern, überwacht. Der empörte Aufschrei unter ihnen war groß, als Edward Snowden uns allen den Spiegel vorhielt. Als klar wurde, dass Amazon, Facebook, Google, Apple und Microsoft zu den größten Datenkraken zählen - ein Leben ohne deren Produkte und Dienstleistungen aber für westliche Menschen eine schwierige Aufgabe ist. Erneut wurde gewettert, als herauskam, wie lässig bei What'sApp mit den Nutzerdaten umgegangen wird, und der Widerstand mündete in hämischem Protest, als Facebook den Messengerdienst schließlich schluckte.
Was aber genau macht uns Angst daran, dass unsere Daten weitergegeben werden?
Im Grunde lässt sich diese Frage mit einer Aufzählung der grundsätzlichsten menschlichen Ängste beantworten: Die Angst vor dem Unbekannten; die Angst, keine Kontrolle mehr zu haben; die Angst, selbst kontrolliert und beeinflusst zu werden; und die Angst, dass jemand einem Leid antun könnte.
Selbstverständlich sind diese Ängste nicht unbegründet. Gerade für Menschen des öffentlichen Lebens ist es ratsam, eine kluge Online-Informationsstrategie zu haben - John Lennons Adresse war damals gut bekannt, auch er stand im Telefonbuch, und das Ende kennen wir alle.

Aber mal ehrlich
Wir anderen, wir einfachen, uninteressanten Menschen, die weder Popstars noch Terroristen oder Geheimagenten sind. Was passiert mit unseren Daten? 
Wir bekommen personalisierte Werbung. Wir bekommen Spam-Emails, hin und wieder einen Computervirus. Wir wissen, dass Vater Staat jederzeit herausfinden kann, wo wir uns befinden. Wir haben unser ausdrucksloses Gesicht biometrisch fotografieren  lassen, unter Umständen ist unser Fingerabdruck im Personalausweis gespeichert. Unabhängig davon, ob wir What'sApp, Threema oder BlaBla benutzen, wir sind bereits öffentlich. Wir sind auffindbar, erkennbar und registrierbar. Das kann einem gefallen oder nicht - ändern lässt sich daran nichts mehr. Weil wir es selbst so gewollt haben. Wir haben entschieden, dass uns die Verbindung in alle Welt wichtiger ist als unser persönlicher Datenschutz. Wir haben Facebook erschaffen - Herr Zuckerberg hat es nur programmiert. 
Seit mindestens hundert Jahren sind die Menschen in der westlichen Welt registriert und auffindbar, egal ob es durch die Meldebehörde oder das Telefonbuch ist. Oft genug wurde in der Geschichte damit Schindluder betrieben und das ein ums andere Mal wurde das System missbraucht, um die grässlichsten Verbrechen zu verüben.
Diese Verbrechen aber hat nicht das System verübt. Es waren die Menschen, die es missbraucht haben, die "Mitbürger", die tatenlos zugesehen haben, und die Hunderttausende, die nicht mehr in der Lage waren, selbstständig zu denken.

Das "gläserne Zeitalter" verstärkt die Verantwortung an den Menschen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt. Vielleicht ist es diese Verantwortung, die uns Angst macht. Die Löschung einer einzelnen App wird aber beides nicht mindern.
Wäre es daher nicht sinnvoller, sich über den Inhalt der Nachrichten Gedanken zu machen, die wir versenden, als uns darüber zu ärgern, dass jemand unseren Stuss mitlesen könnte?

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