Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de Messy Modern Monthly: Februar 2014

Freitag, 28. Februar 2014

Earth 2.0 ≠ Human 2.0?

Grafische Darstellung des Kepler Weltraumteleskops

Vor ein paar Tagen hat die NASA offiziell bestätigt, dass mit Hilfe des Kepler Weltraumteleskops hunderte neuer Exoplaneten, das heißt Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, entdeckt wurden. Mit Hilfe neuer Berechnungsmethoden konnten bisher unbestätigte Entdeckungen nun verifiziert werden. Im ersten Moment klingt das nicht unbedingt spektakulär - noch kein aktives Funksignal geschweige denn grüne Männchen auf der Suche nach dem Erstkontakt. Dennoch ist diese Bestätigung der Wissenschaftswelt mehr als eine Fußnote, beweist sie doch, dass die Architektur unseres Sonnensystems keinesfalls ein Einzelfall ist - sondern vielmehr eine kosmische Alltäglichkeit.
Ein Gedankenspiel.

Seit meiner Kindheit fasziniert mich diese Welt außerhalb unserer Welt. Nicht genug, um tatsächlich Astrophysiker oder sprichwörtlich "Raketenwissenschaftler" zu werden, aber immerhin gehöre ich zu der seltenen Art Mann, der sowohl Star Wars als auch Star Wars mag und der tatsächlich mit stetigem Interesse die Fortschritte der "Weltraumwissenschaften" verfolgt. Waren sich während meiner Kindheit die Menschen noch sicher, dass das Entstehen intelligenten Lebens auf der Erde eine Verkettung völlig einzigartiger Umstände ist, so ist es heute für viele renommierte Wissenschaftler unvorstellbar, dass die Erde der einzig belebte Planet in diesem Universum ist. Ob es jedoch intelligentes extraterrestrisches Leben gibt, ist weiter stark umstritten.

Eine Frage der Statistik

Künstlerische Darstellung der
Kepler Aufnahmen -
Bildrechte bei astronomynow.com
Es sollte auch weiterhin umstritten bleiben, wenn man dem Weg der Wissenschaft folgen will. Dazu muss man sich vorstellen, wie momentan die beste Methode aussieht, in den Tiefen des Weltalls nach etwas Ausschau zu halten: Das Kepler Teleskop sendet jeden Tag Gigabyte-Weise Bilddaten an die Erde. Es misst minimale Unterschiede im abgestrahlten Licht weit entfernter Sterne. Aufgrund dieser Unterschiede kann errechnet werden, ob vor dem Stern ein planetarer Körper vorbeigezogen ist. 
Einfach ausgedrückt: Man stelle sich eine Sonnenfinsternis vor. Der Mond schiebt sich vor die Sonne, für einige Zeit blockiert er also einen Teil der Sonnenstrahlen. Genau diesen Effekt nimmt Kepler wahr - so er natürlich im "Blickfeld" des Teleskops liegt. Mit Hilfe periodischer Wiederholungen dieser "Sternfinsternis" können dann die Umlaufbahnen der planetaren Körper, mit Hilfe der "Verdunkelung" des Sterns kann die Masse eines Planeten bestimmt werden. Dies ist sicherlich eine stark vereinfachte Erklärung dieses wissenschaftlichen Prozesses, aber er veranschaulicht ganz gut, wie begrenzt die momentanen Mittel bisher noch sind, um andere Planeten unter die Lupe nehmen zu können. Wir schauen aus weiter ferne durch ein Fernglas und versuchen, eine Fliege vor einer Kerze zu erkennen...
Beobachtungsreichweite des
Kepler Teleskops -
Bildrechte bei spacewriter.com

Dennoch ist die Statistik auf der Seite der Träumer. Trotz allem Pessimismus der Anhänger des Fermi-Paradoxons und ähnlicher Theorien wird es immer wahrscheinlicher, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft Planeten entdecken, die man guten Gewissens "Earth 2.0" nennen kann. Und diese Vorstellung bringt es mit sich, dass man sich mal über ihre Konsequenzen Gedanken machen kann.

Das Gedankenspiel

Nehmen wir einmal an, dass wir in nächster Zeit so einen Planeten entdecken. Rund zehn Lichtjahre entfernt, aus astronomischer Sicht also quasi "in näherer Nachbarschaft". Der Planet liegt in der habitablen Zone eines Sterns, der unserer Sonne kaum ähnlicher sein könnte. Allen Anzeichen nach besitzt er eine stabile, sauerstoffreiche Atmosphäre, jede Menge Wasser, eine entsprechende Masse und Lebenszeit. Im wahrsten Sinne also eine Erde 2.0.
Die Wissenschaft wird groß teilig annehmen, dass auf diesem Exoplaneten Leben existiert. Wenn die uns bekannten biologischen und physikalischen Grundsätze für die Entstehung von Leben überall im Universum ihre Anwendung finden, kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sich auf dieser fremden Welt Leben entwickelt hat.

Und was geschieht nun?

Es ist völlig unstrittig, dass uns die Erkenntnis von einer zweiten Erde momentan objektiv betrachtet noch nicht viel nützen würde. Selbst ein Planet, der "nur" zehn Lichtjahre entfernt ist, wäre völlig unerreichbar mit der heutigen Antriebstechnologie.

Als Beispiel: Die oben beschriebene zweite Erde ist 10 Lichtjahre entfernt, was rund 94,6 Billionen Kilometern entspricht. Diese Zahl muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: 94.610.000.000.000 km. Die Raumsonde Voyager 1, das momentan am Weitesten von der Erde entfernte von Menschen gebaute Objekt, bringt immerhin rund 17 Kilometer pro Sekunde hinter sich. Das bedeutet, sie legt rund 536 Millionen Kilometer im Jahr zurück. Und trotzdem würde Voyager auf direktem Kurs rund 176.474 Jahre brauchen, bis sie am Ziel wäre.
Wenn man sich dann überlegt, dass die Zeitrechnung der Menschheit sich an einem Punkt orientiert, der gerade mal etwas mehr als 2.000 Jahre zurückliegt, kann einem Angesichts solcher Zahlenwerte schon mulmig werden.


Die Menschheit müsste sich immens weiterentwickeln, damit solche Planeten überhaupt in greifbare Nähe kommen. Der dafür nötige technologische Fortschritt liegt außerhalb unserer momentanen Vorstellungskraft. Aber vor Otto Lilienthal konnte sich auch noch kein Mensch vorstellen, dass die Menschheit jemals fliegen geschweige denn ins Weltall reisen könnte.
Doch nicht nur technologischer Fortschritt wäre nötig - sondern vor allem auch ein Sozialer.

Human 2.0?

Bringen wir dieses Gedankenexperiment zu Ende, indem wir uns vorstellen, die Menschheit von heute, mit all ihren verschwenderischen, verarmten, fanatischen, liberalen, anarchistischen und ordnungsliebenden Gruppierungen, findet diese zweite Erde - und ist in der Lage, sie innerhalb kurzer Zeit zu erreichen. 
Was würde geschehen?
Würden wir den Planeten als geschenkten Neuanfang für unsere heruntergewirtschaftete Erde sehen? Würden Staaten und Unternehmen sogleich ihre Claims abstecken und ohne Zögern anfangen, die Neue Welt auszubeuten - so, wie es in der Erdgeschichte nur allzu oft der Fall gewesen ist? Und was wäre, wenn wir auf Earth 2.0 tatsächlich Leben fänden? Würde das unsere Perspektive vom eigenen Dasein verändern?
Oder würde sich auch da die Geschichte der "Entdecker und Entdeckten" wiederholen?

Ich kann auf all diese Fragen hier natürlich keine Antwort geben. Das muss jeder für sich alleine tun.
Aber ich habe im Gefühl, dass es vielleicht gar nicht so schlecht ist, dass all diese Überlegungen bisher noch pure Science-Fiction sind.

Montag, 24. Februar 2014

What's App, People?!

Der Monat Februar brachte erneut die Debatte über ein Thema auf, dass anscheinend inzwischen zum Grundbedürfnis des modernen Menschen geworden ist: die Datensicherheit. Ausgelöst von der Übernahme von What'sApp durch Facebook und angeregt von Lobpreisungen revolutionärer, vermeintlich sicherer Messenger-Alternativen war die Medienumwelt erfüllt von mehr oder weniger informierten Diskussionen zum Datenschutz in einer Welt der globalen Vernetzung. 
Ein Kommentar.

Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Abend, der zwar schon viele Jahre zurückliegt, aber immer noch leichtes Herzklopfen bei mir auslöst, wenn ich jetzt daran denke. Ich war allein in meinem Zimmer, saß an meinem Schreibtisch und hatte ein großes Buch vor mir zu liegen. Ein großes, gelbes Buch: schwer, unhandlich und voller Zahlen. Daneben stand mein (Festnetz)Telefon - ich genoss als Jugendlicher den Luxus, einen eigenen Telefonanschluss im Zimmer zu haben.
Ich schlug also das Buch auf, wanderte zum richtigen Buchstaben und ratterte die Liste der Namen durch... Bis ich schließlich den passenden Eintrag fand. Es gab damals drei Menschen in Berlin mit dem Nachnamen, den ich suchte, aber nur eine Adresse zu der Telefonnummer war im richtigen Stadtteil. Jetzt hatte ich die richtige Nummer - nun musste ich nur noch den Mut finden, sie anzurufen.
Zur Erläuterung: Ich war damals heimlich, aber unsterblich in ein Mädchen aus meiner Parallelklasse verliebt. Wie in der besten High-School-Filmstory hatte sie mich zu diesem Zeitpunkt vermutlich noch nicht einmal wahrgenommen. Da ich aber nicht wie einer der Loser aus eben genannten Filmen enden wollte, hatte ich beschlossen, mir ein Herz zu fassen, ihre Nummer herauszusuchen - und einfach anzurufen.

Ich hatte noch nie zuvor mit der jungen Dame ein Wort gewechselt. Alles, was ich wusste, war ihr Name. Und, aus welcher Richtung sie in etwa zur Schule kam. Keine fünf Minuten nach dem heimlichen Stibitzen des elterlichen Telefonbuchs hatte ich jede Information, die ich brauchte: Ich wusste, wie ihre Eltern hießen, wo sie wohnte und (natürlich) wie ich sie erreichen konnte.

Was ist heute anders?
Wenn ich heute über jemanden etwas herausfinden will, eröffnen sich mir schier endlose Möglichkeiten. Was die Google-Suche nicht ausspuckt, finde ich bei Facebook, Twitter, Xing, Linkedln, Google+, Stayfriends, Skype, What'sApp, Spotify, Instagram, auf privaten Webseiten, in öffentlichen Blogs und auf Online-Kontaktanzeigen. Wenn ich mir entsprechend Zeit nehmen würde, könnte ich zu jedem meiner Facebook-Freunde ein komplettes Dossier anfertigen. Ich wüsste dann vermutlich den Musikgeschmack, favorisierte Urlaubsorte, Lieblingsbars, geschätzte Filme und Bücher, wie niedlich die Haustiere sind und was die Kinder gerade wieder angestellt haben. 
Die Adresse und Telefonummer zu finden wäre vermutlich sogar am Schwierigsten - aber sicherlich möglich.

Die Angst
Für manche Menschen klingt das eben beschriebene gruselig. Sie fühlen sich gläsern, überwacht. Der empörte Aufschrei unter ihnen war groß, als Edward Snowden uns allen den Spiegel vorhielt. Als klar wurde, dass Amazon, Facebook, Google, Apple und Microsoft zu den größten Datenkraken zählen - ein Leben ohne deren Produkte und Dienstleistungen aber für westliche Menschen eine schwierige Aufgabe ist. Erneut wurde gewettert, als herauskam, wie lässig bei What'sApp mit den Nutzerdaten umgegangen wird, und der Widerstand mündete in hämischem Protest, als Facebook den Messengerdienst schließlich schluckte.
Was aber genau macht uns Angst daran, dass unsere Daten weitergegeben werden?
Im Grunde lässt sich diese Frage mit einer Aufzählung der grundsätzlichsten menschlichen Ängste beantworten: Die Angst vor dem Unbekannten; die Angst, keine Kontrolle mehr zu haben; die Angst, selbst kontrolliert und beeinflusst zu werden; und die Angst, dass jemand einem Leid antun könnte.
Selbstverständlich sind diese Ängste nicht unbegründet. Gerade für Menschen des öffentlichen Lebens ist es ratsam, eine kluge Online-Informationsstrategie zu haben - John Lennons Adresse war damals gut bekannt, auch er stand im Telefonbuch, und das Ende kennen wir alle.

Aber mal ehrlich
Wir anderen, wir einfachen, uninteressanten Menschen, die weder Popstars noch Terroristen oder Geheimagenten sind. Was passiert mit unseren Daten? 
Wir bekommen personalisierte Werbung. Wir bekommen Spam-Emails, hin und wieder einen Computervirus. Wir wissen, dass Vater Staat jederzeit herausfinden kann, wo wir uns befinden. Wir haben unser ausdrucksloses Gesicht biometrisch fotografieren  lassen, unter Umständen ist unser Fingerabdruck im Personalausweis gespeichert. Unabhängig davon, ob wir What'sApp, Threema oder BlaBla benutzen, wir sind bereits öffentlich. Wir sind auffindbar, erkennbar und registrierbar. Das kann einem gefallen oder nicht - ändern lässt sich daran nichts mehr. Weil wir es selbst so gewollt haben. Wir haben entschieden, dass uns die Verbindung in alle Welt wichtiger ist als unser persönlicher Datenschutz. Wir haben Facebook erschaffen - Herr Zuckerberg hat es nur programmiert. 
Seit mindestens hundert Jahren sind die Menschen in der westlichen Welt registriert und auffindbar, egal ob es durch die Meldebehörde oder das Telefonbuch ist. Oft genug wurde in der Geschichte damit Schindluder betrieben und das ein ums andere Mal wurde das System missbraucht, um die grässlichsten Verbrechen zu verüben.
Diese Verbrechen aber hat nicht das System verübt. Es waren die Menschen, die es missbraucht haben, die "Mitbürger", die tatenlos zugesehen haben, und die Hunderttausende, die nicht mehr in der Lage waren, selbstständig zu denken.

Das "gläserne Zeitalter" verstärkt die Verantwortung an den Menschen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt. Vielleicht ist es diese Verantwortung, die uns Angst macht. Die Löschung einer einzelnen App wird aber beides nicht mindern.
Wäre es daher nicht sinnvoller, sich über den Inhalt der Nachrichten Gedanken zu machen, die wir versenden, als uns darüber zu ärgern, dass jemand unseren Stuss mitlesen könnte?